Der Einsatz von Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 hat zu einer Kluft zwischen Menschen geführt, die das Impfangebot annehmen, und solchen, die zögern und sich nicht impfen lassen. Die jüngsten Untersuchungen von Bor, Bang und Petersen legen nahe, dass geimpfte Personen es verurteilen, wenn ungeimpfte Personen den Rat der Gesundheitsbehörden nicht befolgen. Umgekehrt berichten die Impfverweigerer, dass sie sich diskriminiert und gegen ihren Willen unter Druck gesetzt fühlen (z. B. durch strenge staatliche Maßnahmen gegen Ungeimpfte).
Zur Untersuchung der Art und des Ausmaßes von Vorurteilen gegenüber Gruppen, die durch den COVID-19-Impfstatus definiert sind, untersuchten die Forscher die Einstellung von 15.233 Personen, die eine Vielzahl von Kulturen aus der ganzen Welt abdeckten (wobei die Zusammensetzung der Stichprobe auch darauf ausgerichtet war, dass diese Personen für ihr Land repräsentativ sind). Die Autoren bezogen sowohl repräsentative Daten aus Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen als auch aus Ländern mit hohem Einkommen ein.
Die Untersuchung ergab, dass geimpfte Personen gegenüber ungeimpften Personen ebenso stark oder sogar noch stärker diskriminierend eingestellt waren als gegenüber anderen Personengruppen, denen häufig mit Vorurteilen begegnet wird, z. B. Migrant:innen oder Menschen mit Suchtproblemen. Die Autoren stellen fest, dass nur in den USA und in Deutschland ungeimpfte Personen eine gewisse Antipathie gegenüber geimpften Personen empfinden. Für ausgrenzende Einstellung gegenüber Geimpften wurden hingegen keine statistischen Nachweise festgestellt. Die Forscher fanden auch in allen Ländern außer Ungarn und Rumänien Belege für eine diskriminierende Einstellung gegenüber Ungeimpften und stellten fest, dass diskriminierende Einstellungen in Kulturen mit stärkeren Kooperationsnormen stärker ausgeprägt sind.
„Die Beobachtung, dass geimpfte Personen diejenigen diskriminieren, die nicht geimpft sind, dass es aber keinen Nachweis für das Gegenteil gibt, steht im Einklang mit Arbeiten zur Psychologie der Kooperation“, sagt Alexander Bor von der in Wien ansässigen Central European University (CEU). „Es zeigt sich, dass geimpfte Personen in Kulturen mit stärkeren Kooperationsnormen negativer auf ungeimpfte Personen reagieren“, so Bor.
Die Autoren der Studie schlagen vor, dass die Behörden bei der Bewältigung großer sozialer Krisen wie der COVID-19-Pandemie vermeiden sollten, starke Feindseligkeit zwischen den Bürgern zu schüren.
Referenz: Bor, A., Jørgensen, F. & Petersen, M.B. Discriminatory Attitudes Against the Unvaccinated During a Global Pandemic. Nature (2022). https://doi.org/10.1038/s41586-022-05607-y
Susanne Hofmarcher